Darf man ins eigene Grundstück ragende Äste vom Baum des Nachbarn kappen?

Streit am Gartenzaun: Nicht selten kommt es vor, dass Äste vom Baum des Nachbarn auf das eigene Grundstück herüberwachsen. Wer keine Lust mehr hat, deren Laub, Nadeln oder Zapfen beseitigen zu müssen, wünscht sich sicher, dass die Äste abgeschnitten werden. Aber was, wenn der Eigentümer des Baumes das nicht einsieht? Darf man dann als Nachbar selbst zur Astschere greifen?

Darf man aufs eigene Grundstück ragende Äste vom Baum des Nachbarn kappen, wenn der Nachbar es nicht tun möchte?

Streit am Gartenzaun: Nicht selten kommt es vor, dass Äste vom Baum des Nachbarn auf das eigene Grundstück herüberwachsen. Wer keine Lust mehr hat, deren Laub, Nadeln oder Zapfen beseitigen zu müssen, wünscht sich sicher, dass die Äste abgeschnitten werden. Aber was, wenn der Eigentümer des Baumes das nicht einsieht? Darf man dann als Nachbar selbst zur Astschere greifen?

Karlsruhe. Wenn Äste vom Baum des Nachbarn auf das eigene Grundstück ragen, dann darf man sie zurückschneiden. Das gilt selbst dann, wenn der Baum dadurch absterben oder seine Standfestigkeit verlieren könnte. Eine nur mittelbare Beeinträchtigung des eigenen Grundstücks durch die Äste reicht aus – also etwa herunterfallende Nadeln oder Zapfen. Bevor ein Eigentümer selbst zur Astschere greift, muss er dem Nachbarn aber eine angemessene Frist zum Rückschnitt gesetzt haben.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden (Urteil vom 11.06.2021, Az: V ZR 234/19). Die Bundesrichter urteilten in einem Nachbarschaftsstreit, der sich in Berlin abspielt. Jahrelang hatten die Nachbarn um Äste einer Schwarzkiefer gestritten, die auf das Nachbargrundstück herüberragten. Der Baum steht seit 40 Jahren direkt an der Grundstücksgrenze. Irgendwann wurde es dem Nachbarn zu bunt, er schnitt die Äste ab. Die Baumbesitzer verklagten ihn. Er hätte die Äste nicht abschneiden dürfen, weil das die Standsicherheit des Baumes gefährden könnte.

Besitzer wollten Baum nicht zurückschneiden – Nachbar griff zur Schere

Die Kläger hatten sowohl vor dem Amtsgericht, als auch vor dem Landgericht Erfolg. Die Berliner Richter stellten zwar fest, dass der Nachbar grundsätzlich das Selbsthilferecht habe, zur Astschere zu greifen. Herabfallende Nadeln und Kiefernzapfen hielt man aber nicht für eine ausreichende Begründung für einen solchen Schritt. Das sahen die Bundesrichter in Karlsruhe anders. Sie kassierten das Urteil der Vorinstanz ein. Sie hatten bereits vor Jahren entschieden, dass ein Nachbar in solch einem Fall selbst zur Tat schreiten darf, wenn der Baumbesitzer sich weigert.

Der BGH betonte, dass dieses Selbsthilferecht auch dann gilt, wenn der Rückschnitt der Äste zum Absterben des Baumes führen kann. Die Besitzer des Baumes hätten dafür zu sorgen, dass er nicht zu nah an der Grundstücksgrenze steht und seine Äste nicht über die Grenze wachsen. Nachbarrechtlich betrachtet durfte der Baum in diesem Fall also beschnitten werden. Trotzdem muss das Berliner Landgericht den Fall jetzt erneut verhandeln. Es muss nämlich noch die Frage klären, ob der Baum auch nachturschutzrechtlich gesehen beschnitten werden durfte.

In Berlin gibt es nämlich eine Baumschutzverordnung, die Regeln dazu enthält, ob ein Bäum beschnitten werden darf oder nicht. Ob die Baumschutzverordnung in diesem Fall greift, hängt von der Dicke des Baumstammes ab. Die 15 Meter hohe Kiefer fällt nur dann unter die Verordnung, wenn der Stamm dafür dick genug ist. Ob das hier der Fall ist, muss das Landgericht nun klären – denn die zerstrittenen Nachbarn sind sich auch in diesem Punkt nicht einig.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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