Urteil zu Hannibal-Hochhaus: Eigentümerin musste Mietwohnungen nicht räumen lassen

Acht Terrassenhochhäuser mit bis zu 17 Etagen und mehr als 400 Wohnungen: Unter dem Namen „Hannibal“ hat dieser Wohnkomplex in Dortmund traurige Berühmtheit erlangt. Im September 2021 stellte die Stadt Dortmund Brandschutzmängel fest und verlangte von der Eigentümerin, dass sie sofort alle Mieter rauswirft. Zu dem Vorgang gibt es jetzt ein Gerichtsurteil.

Acht Terrassenhochhäuser mit bis zu 17 Etagen und mehr als 400 Wohnungen: Unter dem Namen „Hannibal“ hat dieser Wohnkomplex in Dortmund traurige Berühmtheit erlangt. Im September 2021 stellte die Stadt Dortmund Brandschutzmängel fest und verlangte von der Eigentümerin, dass sie sofort alle Mieter rauswirft. Zu dem Vorgang gibt es jetzt ein Gerichtsurteil.

Gelsenkirchen. Die Räumung des Dortmunder Hochhauskomplexes „Hannibal“ durch die Stadt Dortmund war rechtswidrig. Die Stadt durfte von der vermietenden Eigentümerin nicht verlangen, dass sie ihren Mietern die Nutzung ihrer Wohnungen verbietet. Ein Vermieter hat nämlich mietrechtlich gesehen gar keine Handhabe, seinen Mietern umgehend die Nutzung der vermieteten Wohnungen zu verbieten. So hat es das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen jetzt entschieden (Urteil vom 06.10.2021, Az.: 10 K 10512/17).

Damit bekam die Immobilienfirma, die bis Mai 2021 Eigentümerin der Anlage war, in einem Teil ihrer Klage Recht. Hintergrund: Ende August 2017 – kurz nach der Feuer-Tragödie im Londoner Grenfall-Tower – stellte die Stadt Dortmund bei einer Begehung und einer Brandschau gravierende Brandschutzmängel in dem Gebäudekomplex fest. Unter anderem fand man Schächte, durch die sich ein Feuer im Keller nach Einschätzung von Brandexperten in Minutenschnelle über alle Stockwerke hätte ausbreiten können.

Brandschutzmängel und illegale Umbauten entdeckt

Man sah Gefahr im Verzug. Am 21. September 2017 zwang die Stadt die Eigentümerin, alle Mieter sofort aus ihren Wohnungen zu werfen. Der Hochhauskomplex wurde eilig geräumt, die Mieter durften nur das Nötigste mitnehmen und mussten bei Bekannten oder in Notunterkünften untergebracht werden. Im Oktober schickte die Stadt Dortmund der Eigentümerin dann eine Nutzungsuntersagung für das Gebäude. Zur Begründung führte man Umbauten an, die nach der Errichtung des Komplexes in den 70er-Jahren vorgenommen worden waren.

Diese Umbauten wären genehmigungspflichtig gewesen, entsprechende Baugenehmigungen waren aber nie eingeholt worden. Die ganze Anlage stimmte nach Ansicht der Bauaufsichtsbehörde nicht mit den bauordnungsrechtlichen Vorgaben überein. Damit war die Nutzung der Immobilie nach Überzeugung der Stadt Dortmund illegal. Die damalige Eigentümerin klagte gegen beides: Einerseits gegen die von der Stadt angeordnete Räumung und andererseits gegen die Nutzungsuntersagung.

Stadt durfte von Vermieterin keine Räumung verlangen

Nach Ansicht der damaligen Eigentümerin war die sofortige Räumung nicht nötig, weil man die beanstandeten Missstände mit einfachen Reparaturen hätte beheben können. Nach Ansicht der Stadt bestand dagegen Lebensgefahr für die Bewohner. In dem Prozess geht es um viel Geld: Die klagende Immobilienfirma möchte ihre durch die Räumung entstandenen Mietausfälle in Millionenhöhe von der Stadt Dortmund ersetzt bekommen. Die Stadt wiederum verlangt von der Immobilienfirma Ersatz für die rund 450.000 Euro teure Absicherung des Gebäudes, welche die Stadt nach der Räumung hatte vornehmen müssen.

In Punkto Räumungsanordnung bekam die damalige Eigentümerin vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen tatsächlich Recht. Das Gericht hielt die Räumung aus Sicherheitsgründen zwar für richtig. Die Stadt Dortmund hätte aber selbst jedem Einzelnen Mieter die Nutzung seiner Wohnung verbieten müssen. Das wäre einerseits für eine effektive und schnelle Gefahrenabwehr nötig gewesen. Andererseits habe ein vermietender Eigentümer gar keine mietrechtliche Grundlage, um seinen Mietern plötzlich die Nutzung der vermieteten Wohnungen zu untersagen.

In Punkto Nutzungsuntersagung bekam dagegen die Stadt Dortmund Recht. Das Gericht bestätigte deren Rechtsauffassung, dass die Nutzung des Gebäudekomplexes aufgrund der fehlenden Baugenehmigungen formal illegal war und die Anlage nicht den bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprach. Einen Bestandsschutz kann die Eigentümerin nach Ansicht des Gerichts ebenfalls nicht geltend machen. Noch nicht entschieden hat das Gericht, wer nun wem Schadensersatz in welcher Höhe leisten muss. Gegen das Urteil kann Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht eingelegt werden.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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